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Alphubel 'Chumm mit..'

Die Wettergötter meinen es gut mit uns. Der Start in den Freitag wird von strahlendem Sonnenschein begleitet und unsere kunterbunte Truppe findet sich nach und nach im Zug von Bern nach Zermatt ein. Mit der Standseilbahn geht es fix nach Sunnegga. Nach einer kurzen Mittagsverpflegung geht es mit einem paar Gramm leichteren Rucksack auf dem wunderschönen Europaweg in Richtung Täschhütte. 

Auf den letzten paar hundert Metern Aufstieg spenden die Wolken nach und nach etwas Schatten und die Temperaturen werden ein wenig erträglicher. Schliesslich erreichen wir, noch vor den ersten Regentropfen, verschwitzt, aber glücklich, unser erstes Zwischenziel: Die Täschhütte. Unser zweiter Tourenleiter, Thömu, welcher direkt vom Tourenleiter-Kurs im Bündnerland anreist und den halben Tag im Zug verbrachte, hat weniger Glück: bei seinem späteren Aufstieg bekommt er eine 'Bruuse' ab. Dafür riecht er am Abend nicht so streng wie der Rest von uns!  

Nach dem Abendessen planen die Tourenleiter-Rookies Mätthu und Thömu die Route vom Folgetag. Die verschiedenen Zustiegsmöglichkeiten zum Gletscher werden abgewogen: Sollen wir von ganz unten zusteigen oder die Klettermühen auf uns nehmen und den höher gelegenen Zustieg wählen? 

Am zweiten Tag dürfen wir vergleichsweise ausschlafen. Frühstück gibt es um 06:00 Uhr und kurz darauf geht es los. Nach einer anfänglichen Wanderung bewältigen wir bereits die erste Kletterpartie und eine Hürde nach der anderen auf unserem Weg zum Gletscher wird überwunden. Schliesslich stehen wir kurz vor dem Weingartengletschter und ein Blick auf den steilen, zerklüfteten unteren Teil zeigt: Unsere Tourenleiter haben sich für den richtigen Zustieg entschieden! 

Im Vergleich zum ersten Abschnitt unserer Tagestour erfolgt der restliche Aufstieg zum Mischabeljochbiwak, unserem nächsten Zwischenstopp, vergleichsweise schnell. Am Fusse des Biwaks kurz noch ein Gruppenfoto im bissigen Wind schiessen - wir brauchen ja den Beweis für die Jubiläums-Aktion 'Chumm mit…' - dann nichts wie rauf in die 'Hüumi' des Biwaks. Von aussen mutet es kalt und wenig einladend an. Doch beim ersten Blick durch die Türe erspäht man eine behagliche Stube. Diese trägt ein Echo vergangener Tage in sich, als die Zeiten zwar härter, das Leben jedoch noch einfacher war. Fast so, als sei man in eine von Grosis Kindheitserinnerungen gefallen. 

Einladende Holzvertäfelung, gemütliche Tische und Bänke und ein feuerroter Holzofen, welcher die Mitte des Raumes einnimmt und nach ordentlichem Einfeuern das ganze Biwak mit behaglicher Wärme erfüllt. Doch am atemberaubendsten ist die Aussicht aus den Fenstern, welche den Blick auf den Weingartengletscher freigeben. Und das Beste: es ist kein Mensch da, das ganze Biwak gehört (vermeintlich) uns alleine! 

Trinkwasser muss sich fleissig erarbeitet werden, auch wenn die müden Beine eigentlich lieber hochgelagert werden wollen. Die grossen Kochtöpfe werden mit Schnee gefüllt und von starken Armen ins Biwak gehievt. Das Schmelzen und Abkochen bedarf ein wenig Geduld, doch bald steht warmer Tee und noch wichtiger, die von hungrigen Mägen lang ersehnten Spaghetti, auf dem Tisch. Dazu ein feines Gläsli Rote und bald macht sich zufriedene Trägheit breit. 

Da am nächsten Tag der letzte steile Aufstieg zum Gipfel bevorsteht, wird sich schon bald bettfertig gemacht. Als Bettmümpfeli erwartet uns als besonderer Ohrenschmaus das von Tourenleiter Mätthu mitreissend und inbrünstig vorgetragene 'bärndütsche Gschichtli'. Ein Highlight anderer Art auf dieser wunderschönen Tour! 

Noch bevor wir, trotz Tageshelle, in Ruhe eindämmern können, stört lautes Scheppern und Gepolter unsere dringend benötigte Nachtruhe. Drei Nachzügler haben doch noch den Weg ins Biwak gefunden. Es wird noch etwas Schützenhilfe beim Einfeuern geleistet, bevor ein neuer Anlauf für ein Schläfchen genommen wird. 

Um 03:15 Uhr heisst es 'auf auf' und hastig wird gefrühstückt. Mit montierten Stirnlampen wird der Abwasch erledigt und das Häuschen auf Vordermann gebracht. Anschliessend geht es raus in die zugige Nacht und die lange Kletterpartie in Richtung Gipfel beginnt. Bald schon reckt sich die Sonne am Horizont - gerade rechtzeitig, um die bereits verlorene Stirnlampe hinfällig werden zu lassen. 

Die letzten Höhenmeter auf den flachen Gipfel meistern wir im schönsten Sonnenschein. Die ersten auf dem Gipfel sind wir längst nicht, es herrscht emsiges Kommen und Gehen. Wir lassen uns jedoch nicht stören und geniessen in Ruhe einen Schluck Gipfel-Schnaps, während wir das überwältigende Panorama auf uns wirken lassen. Die Temperatur auf 4206 m ist so behaglich, dass man gar nicht an den Abstieg denken mag. Dennoch kommt der Moment, wo wir uns vom weissen Gipfel verabschieden und den Abstieg in Angriff nehmen müssen. Stolz gespickt mit Wehmut macht sich, zumindest in mir, breit. Glücksgefühle über den erfolgreichen Aufstieg mischen sich mit dem Bedauern, diesen majestätischen Ort schon so bald wieder verlassen zu müssen. 

Die letzten Meter bis zur Bahnstation müssen verdient werden. Knietief wird durch den bereits von der Sonne stark strapazierten Schnee gestapft. Bevor es wieder vollends in die Zivilisation zurückgeht, wird sich zuerst noch eine ordentliche Mahlzeit gegönnt und sich der Anblick dieser mystisch anmutenden, geheimnisvollen Welt ein letztes Mal eingeprägt. Wir sehen uns wieder, so viel ist sicher. Denn einmal in deren Bann gezogen, kann man sich der Magie der Berge nicht mehr entziehen. 

Tourenbericht von Fabienne Kaderli